Die Kelly Family ist vermutlich die berühmteste Familie der Welt. In den 90er Jahren kam man um die musizierenden Weltstars kaum herum. Sechs Kinder der Family starteten 2017 ihr Comeback.
Die VOX-Doku „Kelly Family – Die Geschichte einer außergewöhnlichen Familie“ begleitete Patricia, Kathy, John, Jimmy, Joey und Angelo Kelly und andere Weggefährten auf ihrer Zeitreise bis zum Comeback. Wer die über vier (!) Stunden Dokumentation nicht durchgehalten hat – BILD präsentiert hier die Highlights.
Warum das Comeback?
Zu Beginn der Doku beantwortet Victor James „Jimmy“ Kelly (46) erst einmal, was das ganze Comeback eigentlich soll: [–>„Ich wollte meine Geschwister mal wiedersehen. Man sieht sich so wenig.“
Die Anfänge
Rückblick: 1966 wanderte Vater Dan Kelly (†71) mit seiner Familie von den USA nach Spanien aus. Im kleinen Dorf Gamonal lebte die Familie in einfachen Verhältnissen.
Patricia Kelly (47): „Da gab es damals keinen Strom, kein laufendes Wasser. Es gab nur einen Brunnen, man musste das Wasser mit Krügen holen, und es gab nur ein Telefon für das gesamte Dorf.“
Jedes der Kinder erlernte Instrumente, doch zunächst spielte man für sich allein. 1974 entschied Vater Dan, mit einigen seiner Kinder in Madrid auf die Straße zu gehen und Musik zu machen – der Beginn der Kelly-Family als Straßenmusikerfamilie.
John Michael Kelly (50): „Vielleicht hat das bei ihm was bewirkt: Man kann Geld mit Musik verdienen.“ Im spanischen Kinderfernsehen schaffte die Familie 1975 einen ersten Durchbruch. John: „An dem Punkt kannten uns fast alle Kinder in Spanien.“ 1976 ging’s für die Familie weiter nach Wien, dort traf man auf Bernhard Paul (70), der gerade dabei war, den Circus Roncalli aufzubauen.
Für die TV-Dokumentation arrangierte man ein Wiedersehen mit Paul – vor allem für John Kelly ein emotionaler Moment, er hatte Paul seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen. John weinte in den Armen von Bernhard Paul: „In den Träumen[–> [–>… Du und mein Vater sind sehr oft in meinen Träumen.“
Der Doppeldecker-Bus
Den bekanntesten Bus des vergangenen Jahrhunderts fuhr definitiv die Kelly Family! 1977 kaufte Vater Dan Kelly das ausrangierte Gefährt. Nicht alle Kinder waren begeistert.
Kathy Kelly (54): „Ich empfand das als sehr komisch. Ich persönlich war ein bisschen erschrocken teilweise. (…) Das war einfach ein Bus. Ich musste mich erst einmal damit anfreunden, das hat ein bisschen gedauert.“
Im unteren Teil gab es „Wohnzimmer“ und „Küche“, oben schlief die Familie. Auch Joey (44) war nicht begeistert: „Wir haben oben in so einem Bus mit zehn Mann gelebt. Das ist unvorstellbar.“ Und auch die Erinnerungen von Angelo (35) klingen frostig: „Dieser Bus war von innen quasi null isoliert. Du hast Doppelverglasung gehabt: Eis und Glas. (…) In den kältesten Wochen war das richtig heftig.“[–>
Das Hausboot
Nach dem Bus wurde 1989 ein Boot gekauft. Die Idee dazu hatte übrigens Jimmy: „Ich hatte lange den Traum, dass wir ein Schiff kaufen, und dann irgendwann bin ich nach Amsterdam und habe dieses eine Schiff gefunden.“
Der Name des Boots „Sean O’Kelly“ wurde ebenso zu einem Hit wie das Boot an sich. Während die Familie von 1992 bis 1997 in Köln Mülheim ankerte, wurde der Ort zur Pilgerstätte für alle Fans. [–>
Doch das Boot entpuppte sich zu Beginn als ein großes Problem. Angelo: „Mein Vater war halt so ein Träumer, und er dachte, wir können das alles reparieren.“
Joey Kelly renovierte letztendlich das Hausboot maßgeblich, wochenlang. Die Familie spielt eine Woche Musik und sammelt Geld, die andere Woche wird renoviert. Und trotzdem: Die sechs Kellys besuchten in der Dokumentation das Boot, das heute im Technikmuseum Speyer steht.
Angelo erinnert sich: „Ich habe das erste Jahr auf dem Hausboot auf dem Boden geschlafen im Wohnzimmer.“[–>
Der Tod der Mutter
Im Jahr 1981 erkrankte Mutter Barbara-Ann an Brustkrebs. Patricia Kelly war damals zwölf Jahre alt: „Ich weiß noch, Mama hat sich hier an der Brust abgetastet und sagte: ,Dan, komm mal rüber, taste mal ab.‘ Dann stand mein Vater auf, und an den Rest kann ich mich nicht mehr erinnern.“
Barbara-Ann war damals mit Angelo schwanger, berichtet Patricia weiter: „Dann haben sie ihre Brust quasi während der Schwangerschaft amputiert.“
Doch der Krebs war nicht mehr aufzuhalten. Joey traurig: „Ich habe immer geglaubt, dass meine Mutter wieder gesund wird und es schafft.“
Noch rund zwei Wochen vor ihrem Tod wirkte Barbara-Ann in einem Musikvideo mit. Ihre Krankheit war ihr deutlich anzusehen. Joey weiter: „Meine Mutter war ein besonderer Mensch. Sie hat ihr Leben für uns gegeben.“ Bis zuletzt.[–>
Barbara-Ann versuchte, ihre sieben Kinder auf ihren kommenden Tod vorzubereiten.
Patricia erinnert sich an die Worte ihrer Mutter: „,Mama wird bald nicht hier sein, Mama wird woanders hingehen, ihr müsst stark sein, ihr müsst euch gegenseitig unterstützen, ihr solltet weitersingen und tun, was euch Spaß macht.‘“
Der Erfolg …
Ab 1987 läuft die Erfolgsmaschine richtig an. Nach einer kurzen Zeit in Frankreich formiert sich die Band neu. Jimmy kümmert sich um die Genehmigungen, Joey verantwortet die Finanzen, Kathy wird Geschäftsführerin des Familien-Labels.
In den Jahren vor dem richtigen Durchbruch verdiente man laut Schatzmeister Joey manchmal bis zu 30[–> [–>000[–> [–>D-Mark – pro Tag und nur auf der Straße. Dann kamen die Auftritte in Konzerthallen, zunächst noch selbst organisiert. 1994 gab es mit „Over the Hump“ den kommerziellen Durchbruch. Jimmy: „Bis dahin waren wir eher Straßenmusiker. Das war ein Schlüsselmoment.“
Rekorde, Goldene Schallplatten, kreischende Massen. Vor 250 000 Zuschauern spielt die Band 1995 in Wien beim Donauinselfest. Es ist vielleicht der Höhepunkt der Kelly Family – aber die Probleme und Belastungen setzten schon viel früher ein.
… und seine Schattenseiten
Denn schon etwa ein bis zwei Jahre zuvor kommen mit dem Massenerfolg auch die Probleme. Die Doku zeigte Ausschnitte von damals. Vor einem Konzert warnt ein Produzent Paddy Kelly (39) im Backstage-Bereich: „Die Security hat das nicht unter Kontrolle. Bitte seid cool, drückt nicht so nach vorne. Ihr erdrückt die Leute vorne.“
Es sind einfach zu viele, zu aufgedrehte junge Menschen im Saal. Paddy Kelly nimmt die Warnung eher locker hin. [–>Man könnte froh sein, dass bei den Konzerten der Kelly Family nie ein Fan gestorben ist, heißt es später in der Doku.[–>
Ohnmächtige Mädchen, eine kreischende Menge beim Einlass – Patricia Kelly sieht auch in den Jugendheften von damals ein Problem: „Ich glaube einfach, dass wir es da übertrieben haben. (…) Wir haben die Teeniegeschichte so aufgeputscht damit. Wir wurden für viele Leute zur Teenieband. Wir waren nie eine Teenieband! Wir hatten immer Familienpublikum.“
Irgendwann bekam man die Massen nicht mehr in den Griff. In Bochum musste die Kelly Family ein Konzert in der Stadt absagen – zu viele Menschen. Jimmy: „Es war wahnsinnig gefährlich auf einmal. Der Ansturm, die Massen, die Hysterie. Wirklich gefährlich, da waren so viele Mädels, die die da rausziehen mussten.“
Die Familie lässt um das Hausboot eine Mauer bauen, Angelo und Paddy Kelly lebten nur noch mit Security, Patricia bekam Drohbriefe.
Und dann das weltbekannte Konzert vor 250 000 Menschen. Für Patricia „war das ein absolutes Horrorkonzert. (…) Ich war sehr, sehr krank, ich hatte sehr starke Schmerzen im Rückenbereich. (…) Ich persönlich hatte eine Krise in dieser Zeit, ein Burn-out.“
Ausgebrannt fühlt sich nach und nach jedes Bandmitglied, manchmal spielt die Band zwei Konzerte an einem Tag. Jimmy: „Wir haben uns ausgepowert. (…) Wir hätten gut eine Pause gebrauchen könnnen.“ Doch das Rad des Ruhmes drehte sich noch weiter bis 2002, als der Vater nach mehreren vorausgegangen Schlaganfällen stirbt.
Der Vater
Keine Kelly Family-Dokumentation kommt ohne die schwierige Rolle des Vaters aus. Dan Kelly, gläubiger Christ, ehemaliger Lehrer an einer Highschool, Lehrer seiner Kinder, Antiquitätenhändler, Band-Manager, Gegner der Plattenindustrie. Welches Bild zeichnen die Kinder?[–>
Joey Kelly über seinen Vater: „Ich hatte sehr viele Konflikte mit meinem Vater. Mein Vater hat jeden Einzelnen anders erzogen. Es gab eine Distanz zwischen mir und meinem Vater. Das war einfach so. Ich habe hohen Respekt vor ihm, aber er hat mich nie in den Arm genommen.“
Angelo, neun Jahre jünger als Joey, versucht zu erklären: „Ich glaube, du wirst als Vater von Kind zu Kind hoffentlich besser. (…) Ich bin manchmal nicht der gleichen Meinung wie meine älteren Geschwister. Wir haben manchmal auch ganz andere Erfahrungen gemacht.“[–>
Und Jimmy erwähnt in der Doku ziemlich versteckt am Rand: „In der Basis war er ein sehr kaputter, verletzter Mann.“ Weiter geht er darauf nicht ein.
Als die Mutter starb, musste sich Kathy Kelly nicht nur um den kleinen Angelo kümmern, sondern auch um den Vater: „Er hat auch noch sehr viel getrunken zu der Zeit. (…) Papa habe ich oft begleitet, weil er abends irgendwie in eine Bar gegangen ist, und wenn man nicht aufgepasst hat, ist er auf der Straße gelandet.“
Das Ende der ursprünglichen Kelly Family 2002
Der Tod des Vaters 2002 ist auch das Ende der Kelly Family als Band. Jimmy: „Der Tod meines Vaters war das Ende eines Kapitels. Das war wirklich so, wie soll ich sagen, mein Vater war Kapitän des Schiffes, und auf einmal ist der Kapitän weg. Und dann hast du fünf Kapitäne auf einmal, und der eine meint ,In die Richtung‘ und der andere meint ,In die Richtung‘.“[–>
Anfang der 2000er-Jahre gehen die Kellys dann langsam ihrer Wege. Einige Mitglieder lässt die Vergangenheit im positiven Sinne nicht los. Jimmy Kelly wurde zum Beispiel Straßenmusiker: „Ich bin zurück zu den Wurzeln gegangen. Ich habe gedacht, wenn ich auf die Straße gehe, dann werde ich eine Art Freiheit finden, die ich im Showbusiness gar nicht finden kann. (…) Die Straße ist pure Therapie.“
Das Problem der Dokumentation
Andere Familienmitglieder wollen nicht mehr viel mit der Family zu tun haben. Michael „Paddy“ Kelly kam in der Dokumentation nur einmal zu Wort. Seine Ausführungen zum Song „Angel“ waren aus einer anderen Dokumentation entnommen, für die Comeback-Doku stand er wohl nicht zur Verfügung. Seine Schwester Maite Kelly (37) fehlte komplett. [–>
Die Geschichte der Kelly Family – sie lässt sich heute vielleicht gar nicht mehr wirklich gut erzählen. Die Dokumentation, in der nur sechs Familienmitglieder zu Wort kommen, zeigt eben nur einen Teil der Familie. DIE Kelly Family gibt es wirklich seit 2002 nicht mehr. Darüber sollte auch ein Comeback nicht hinwegtäuschen.
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